Ich hasse Zombies…
Vampire, Werwölfe, Aliens, alles kein Problem für mich. Solche Filme habe ich schon immer gern geschaut, aber Zombies… Die konnte ich mir noch nie gut anschauen, ich ekelte mich und bekam Angst!
Eigentlich muss man solche Ängste nicht bekämpfen, denn es wäre ja ein Leichtes und vermutlich sogar Gesundes, solche Filme insgesamt gar nicht mehr zu schauen, aber mich reizen diese Phantasiegestalten: Vampire strahlen eine zeitlose, weise Eleganz aus und haben häufig noch so etwas Religiöses an sich. Werwölfe stehen für brachiale Stärke und haben so etwas Naturmythisches. Aliens umgibt eine Unnahbarkeit und Andersartigkeit, die mich neugierig darüber nachdenken lässt, was ist wohl alles möglich über unsere momentane Vorstellungskraft hinaus!
Aber Zombies… Zombies sind ein trauriger, schrecklicher, hässlicher und grausamer Rest von all dem, was uns Menschen so ausmacht! Vielleicht kann ich sie auch deswegen so wenig ertragen. Sie waren mal Menschen und dann wurde in ihnen etwas zerstört, was nur noch Beängstigendes von ihnen übrig gelassen hat: Der kaum zu bezwingende Drang das bisschen schreckliches „Leben“ zu erhalten mit unendlicher Fressgier, aber ohne jegliche Emotion. Keine Freude, keine Angst, keine Trauer, kein Mitleid… Das macht mir Angst, verfolgt mich in meinen Träumen.
Und dennoch schaue ich sie mir mittlerweile an; eine Freundin hat mir von einer erfolgreichen Zombie-Serie so sehr vorgeschwärmt, dass ich sie nun auch schaue. Und sie hat Recht, die Serie ist gut, nicht, weil die Zombies so schön schaurig rüber kommen, sondern, weil es spannend ist, zuzuschauen, wie der Rest der Menschheit mit der neuen Situation umgeht. Allerdings ist das auch meist nicht mit Wohlgefühl gepaart! Man muss in solchen Filmen (Endzeit- , Kriegs- und Katastrophenfilmen) immer wieder feststellen, dass sich in Krisensituationen Regeln und Menschen ändern, vielleicht sogar ändern MÜSSEN. Und man geht diese Änderungen emotional und gedanklich mit. Welche Werte bleiben oder verschieben sich, wenn ein Volk, eine Nation, die Menschheit so extrem bedroht ist? Welche Rolle würden man selbst bei den wenigen Überlebenden ausfüllen, wäre man nützlich? Müsste man eigene Ideale über Bord schmeißen oder könnte man sich treu bleiben? Das alles geht mir durch den Kopf, wenn ich solche Filme oder Serien anschaue. Und meist gehe ich dann mit dem Gefühl ins Bett, dass der Mensch schlecht ist…
Bei Zombiefilmen trifft es einen gleich doppelt, denn zum einen stehen die Zombies ja durchaus für den Verlust der Menschlichkeit in unserer Gesellschaft. Zombies gehen emotionslos über Leichen, um ihre Bedürfnisse zu stillen. Dahinter verbirgt sich natürlich eine Gesellschaftskritik, die je nachdem in Richtung der reglosen, konsumierenden, nicht selber nachdenkenden Massen geht oder eben in Richtung der Riesenfirmen, die heuschreckenartig über alles herfallen, was ihnen von Nutzen ist und nur verbranntes Land und ausgebeutete Menschen hinter sich lassen! Die wenigen Menschen, die da nicht dazu gehören, verstricken sich dann in den Filmen in verschiedenen Lösungsansätzen oder zerfleischen sich wegen der Machtfrage innerhalb der Gruppe. Alles ist zum Scheitern verurteilt. Und so enden solche Filme meist auch: düster, ohne Hoffnung, mit ein paar Wenigen, die weiterkämpfen, aber man hat oft das Gefühl, dass es vielleicht besser wäre, wenn sie einfach aufgeben würden!
Ich gehe beim Schauen dieser Serie recht sparsam vor, ich lege Pausen ein. Es gibt Phasen, in denen ich sie gar nicht sehen will, weil sie meine Gedanken und Gefühle dann zu sehr ins Negative beeinflusst. Und obwohl ich die Serie gut und spannend finde, so kann ich Zombies immer noch nicht leiden. Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der die Menschen emotionslose Monster sind! Ich möchte nicht dauernd unter Bedrohung sein, ständig auf dem Sprung und immer in Angst! Und vor allem möchte ich nicht ohne Hoffnung leben, selbst wenn ich immer wieder sehr deutlich sehe, dass der Mensch an sich durchaus die Gabe zum Bösen in sich trägt.
Für viele Menschen ist das aber schon längst Alltag, sie sind Opfer von Systemen, die keinerlei Rücksicht mehr auf sie nehmen, die kein Mitleid, keine Gnade kennen. Viel zu viele leben in Kriegs- und Krisengebieten, in denen eine Leben ohne Angst gar nicht möglich ist, weil der Feind jederzeit kommen kann, um zu töten, oder Bomben einen eher zufällig als gewollt in den Tod reißen. Und viele Menschen trauen sich gar nicht mehr auch nur an Hoffnung zu denken, weil sie in ihrem Leben immer nur aufs bitterste enttäuscht wurden. Für viele Menschen sind die Horrorszenarien solcher Filme und Serien schon längst Wirklichkeit geworden.
Wenn ich solche Serien schaue, dann bin ich schockiert, angewidert, überrascht; oft bin ich traurig, fühle Mitleid oder Wut, manchmal auch Erleichterung, weil dann doch mal etwas geglückt ist, jemand „es“ geschafft hat, Freude in den sonderbarsten Situationen ausbricht. Und dann bin ich froh, dass ich das Alles noch fühlen kann: ich bin kein Zombie, das Leben rührt mich, packt mich!
Und ich hoffe, dass ich es aus diesem Gefühl heraus hinbekomme, anderen Gutes zu tun. Ich hoffe, dass ich die Liebe zu den Menschen (auch wenn sie das Böse in sich haben) nicht verliere; dass ich das Mitleiden auch dann noch hinbekomme, wenn ich zum hundertsten Mal Opfer bombardierter Städte anschaue und ich es schaffe, mich nicht von Ängsten lähmen zu lassen, sondern im Gegenteil den Anderen vielleicht sogar noch Ängste zu nehmen!
Der November ist oft düster und traurig, lassen Sie uns darum umso mehr daran denken, dass wir keine Zombies sind. Wir haben Gefühle, wir lieben das Schöne, kennen das Gefühl von Verantwortung und fühlen uns wohl, wenn wir friedlich und sicher in funktionierenden, aufeinander bedachten Gemeinschaften leben.
Eine gute Zeit wünscht Ihnen Iris Gronbach.