Von den Arbeitern im Weinberg

Im vergangenen Monat wurde in einem Gottesdienst als Lesung das Gleichnis der Arbeiter im Weinberg gelesen, der eigentliche Predigttext war ein für mich schwieriger Text aus dem 1. Korintherbrief, aber diskutiert habe ich nach dem Gottesdienst wegen des Gleichnisses.

Von den Arbeitern im Weinberg (Matthäus 20)

Denn das Himmelreich gleicht einem Hausherrn, der früh am Morgen ausging, um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen. Und als er mit den Arbeitern einig wurde über einen Silbergroschen als Tagelohn, sandte er sie in seinen Weinberg. Und er ging aus um die dritte Stunde und sah andere müßig auf dem Markt stehen und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist. Und sie gingen hin. Abermals ging er aus um die sechste und um die neunte Stunde und tat dasselbe. Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere und sprach zu ihnen: Was steht ihr den ganzen Tag müßig da? Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand eingestellt. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg. Als es nun Abend wurde, sprach der Herr des Weinbergs zu seinem Verwalter: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und fang an bei den letzten bis zu den ersten. Da kamen, die um die elfte Stunde eingestellt waren, und jeder empfing seinen Silbergroschen. Als aber die Ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und auch sie empfingen ein jeder seinen Silbergroschen. Und als sie den empfingen, murrten sie gegen den Hausherrn und sprachen: Diese Letzten haben nur eine Stunde gearbeitet, doch du hast sie uns gleichgestellt, die wir des Tages Last und Hitze getragen haben. Er antwortete aber und sagte zu einem von ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir einig geworden über einen Silbergroschen? Nimm, was dein ist, und geh! Ich will aber diesem Letzten dasselbe geben wie dir. Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem, was mein ist? Siehst du scheel drein, weil ich so gütig bin? So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.

Ich finde dieses Gleichnis großartig, was unter anderem daran liegt, dass es mir zeigt, dass die Menschen schon sehr lange so sind, wie ich sie wahrnehme. Ganz oft ist alles völlig in Ordnung bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir die Möglichkeit bekommen, Vergleiche anzustellen. Die Arbeiter im Weinberg, die schon morgens angestellt worden sind, waren bestimmt froh. Sie hatten eine Stelle ergattert, sie würden am Abend mit Geld in der Tasche nach Hause kommen, das war nicht selbstverständlich, da brauchte man schon ein bisschen Glück! Frisch gingen sie ans Werk, das bestimmt anstrengend und ermüdend war, aber so ist das nun mal und der Lohn winkt. Wenn sie nicht mitbekommen hätten, dass diejenigen, die weniger gearbeitet haben, genauso viel verdient haben, sie wären sehr zufrieden nach Hause gegangen. Und hätten sich bestimmt am nächsten Morgen wieder an die gleiche Ecke gestellt, in der Hoffnung, dass der Hausherr ihnen noch einmal einen Tag Arbeit verschafft!

Aber der Hausherr gab den weniger Arbeitenden das Geld zuerst, was schon ein wenig komisch ist und die, die den ganzen Tag gearbeitet hatten, ärgerten sich als sie sahen, dass Alle den gleichen Lohn bekamen. Natürlich kann jeder den Ärger nachvollziehen, wahrscheinlich ginge es uns allen in einer solchen Situation so, aber wie der Hausherr schon sagt, ohne Grund. Denn niemand war betrogen worden. Aber die, die den ganzen Tag gearbeitet hatten, fühlten sich so. Und das hat sich bis heute auch nicht groß geändert. Wir leben doch heute zum allergrößten Teil ein gutes, reiches Leben in unserem schönen Land! Die meisten kommen gut über die Runden und die, die es weniger glücklich angetroffen haben, die werden unterstützt, niemand muss in unserem Land wegen Armut sterben und dafür kann man sehr dankbar und glücklich sein. Aber auf einmal kommen viele Menschen in unser Land und bekommen etwas von dem Kuchen ab, der eigentlich „uns“ zusteht. Das ist für viele Menschen ein Problem. Dabei ist das Problem gar nicht, dass sie jetzt keinen Kuchen mehr bekommen oder nur noch ein halbes Stück. Sondern das Problem ist, da bekommt jemand Kuchen, der es nicht verdient hat. Denn der hat nichts in die „Kuchenkasse“ eingezahlt. Das ist wie die spät zur Arbeit Gekommenen. Die bekommen zu viel, denn sie haben weniger Arbeit investiert. Und da ist das Entsetzen bei manchen dann groß! Das kann doch gar nicht gehen, dass die Welt so ungerecht ist und jetzt kommt es: DASS DAS AUCH NOCH IN DER BIBEL STEHT!!!

Ich finde schon! Zumal es ja auch noch ein Gleichnis ist, es geht also gar nicht um ein mögliches Wirtschaftsmodell, sondern es geht um das Himmelreich und da wird auch das sonderbare Verhalten des Hausherrn, nämlich, dass er die Gleichbezahlung so offen macht, verständlicher. Nach Jesu Gleichnis gibt es eben KEIN Fegefeuer, in dem die Menschen je nach Vergehen länger oder kürzer „brennen“ müssen, um gereinigt in den Himmel zu kommen. Der Himmel steht den Christen gleichermaßen offen ohne Ansehen der Länge ihrer Mitgliedschaft oder ihres Einsatzes für Gott.

Und das sollen die Menschen auch wissen. Ein Leben nach christlichen Werten sollte nicht gelebt werden, weil man sich dadurch im Jenseits eine bessere Stellung, als die Anderen haben, erarbeitet, sondern weil man es für richtig und wertvoll und erfüllend ansieht. Im wirtschaftlichen Bereich hört sich das für Viele undenkbar an. Kritiker des Gleichnisses argumentieren, dass am nächsten Tag niemand mehr morgens schon parat stände, um in den Weinberg zu gehen. Sie meinen, dass dann alle nur noch eine Stunde arbeiten wollen, wenn es für alle den gleichen Lohn gibt unabhängig davon, wie lange sie gearbeitet haben. Im Umkehrschluss würde das bedeuten, dass wir uns auch erst kurz vor Ablauf unserer Lebenszeit entschließen sollten, Christen zu werden um vorher mal so richtig auf den Putz zu hauen! Aber die meisten Menschen, zumindest die, die ich kenne, sind gar nicht so eingestellt. Sie wollen gar nicht „Böses“ tun oder andere schaden, im Gegenteil, es geht ihnen gut, wenn es anderen durch sie ein bisschen besser geht. Und wahrscheinlich würden sogar viele Menschen trotzdem lange arbeiten gehen, einfach, weil es ihnen gut tut, weil sie den Sinn ihrer Arbeit verstehen und hochhalten, weil sie sich dann wertvoller fühlen würden.

Zwei Gedanken möchte ich am Ende noch einmal festhalten: Gott nimmt in seiner großen Güte alle Menschen gleichermaßen an unabhängig von ihren Taten! Und unser Glück sollten wir nicht allzu sehr davon abhängig machen, ob es den Menschen um uns herum vielleicht viel besser ergeht.

Oder wie der Rheinländer sagen würde: Mer muss och jünne könne! (Man muss auch gönnen können.)

Einen wohlwollenden Februar wünscht Ihnen

Iris Gronbach