Zweites Mal?

Für viele ist die Ferienzeit schon vorbei, bestimmt gab es schöne und wertvolle Momente, Augenblicke, die man in vollen Zügen genossen hat und die einen glücklich gemacht haben. Und natürlich gab es auch Pannen, Dinge, die nicht geklappt haben, die die Pläne durchkreuzt haben, Tränen verursacht, Schmerzen bereitet haben. Wir können uns an die guten und an die schlechten Geschehnisse erinnern.
Aber mit der Zeit verändert sich häufig die Sichtweise; und Vorfälle, die damals als Katastrophe erschienen, sind zu einer lustigen Anekdote geworden und das eine oder andere highlight ist auf einmal nicht mal mehr der Rede wert. Das ist spannend, denn es geht um unser Leben und die Art wie wir es wahrnehmen und bewerten.
Aber es gibt noch etwas anderes Spannendes: Nämlich unser Nicht-Leben, das, was wir eben nicht gemacht haben, was wir nicht erlebt haben und nicht durchgemacht haben, vielleicht weil wir uns dagegen entschieden haben oder weil wir die Abzweigung auf unserem Lebensweg nicht erkannt haben oder weil wir zu feige waren.

Der Sänger mit der Pandamaske CRO hat eine solche Situation jetzt noch einmal neu besungen und ist damit im Moment recht erfolgreich. Das Lied heißt bye bye und der Text lautet folgendermaßen:

Es ist ein unglaublich schöner Tag, draußen ist es warm, er ist auf dem Weg nach Hause mit der Bahn, schaut aus dem Fenster lässt Gedanken freien Lauf, lehnt sich ganz entspannt zurück, denn er muss lange noch nicht raus, ’n paar Menschen steigen ein, andre wieder aus, er wechselt grad das Lied und plötzlich stand da diese Frau, (pfiff) und er dachte sich WOW, sagte klar der Platz ist frei, sie lachte und er dachte sich nur bitte komm, sprich sie an, das ist das schönste, was du je gesehen hast und sie hat sicherlich kein Mann, stell dich nicht so an, wenn nicht jetzt wann dann? doch alles was man hört ist mein Herzschlag.
(Refrain) Was soll ich nur sagen irgendwas knockt mich aus, ich bin ein Versager, weil ich mich doch nicht trau, mein Kopf ist voller Wörter,  doch es kommt nichts raus, sie steht auf und steigt aus und sagt bye bye- bye bye meine Liebe des Lebens und ja, wir beide werden uns nie wieder sehen, kann schon sein, dass man sich im Leben zweimal begegnet, doch es beim zweiten Mal dann einfach zu spät ist.
Es ist ein unglaublich schöner Tag, draußen ist es warm, sie hat Bock auf Shopping also in die Stadt, sie braucht so Sachen, die Frauen halt eben brauchen, n Bikini, ne neue Tasche und außerdem will sie schaun, also los, ab in die Bahn, sie zieht sich n Ticket 4,70 für die Fahrt, ist ja ganz schön hart, doch dann sieht sie diesen Typ, findet ihn süß, sitzt sich extra zu ihm hin und denkt sich bitte, bitte, bitte, bitte komm, sprich mich an, es ist ganz egal was du jetzt sagen würdest, ich spring darauf an, also komm, du bist mein Mann, wir gehörn zusamm, wenn nicht jetzt wann dann?
ich hör mein Herz
(Refrain)

Bei mir löst das Lied eine leicht melancholische Stimmung aus. Denn auch, wenn ich es nicht weiß, so bin ich sicher, dass es die eine oder andere Gelegenheit in meinem Leben gegeben hat, die vielleicht alles hätte anders werden lassen können. Ich würde dann heute an einem anderen Ort sein oder hätte einen ganz anderen Beruf, die Menschen, die mich umgeben und begleiten wären andere. Vielleicht wäre ich reich oder bitter arm. Vielleicht wäre ich der glücklichste Mensch auf Erden, vielleicht aber auch ein Gescheiterter. Man weiß es nicht, wird es auch niemals wirklich herausfinden und vermutlich ist das auch gut so. Warum sollte man sich auch ständig darüber Gedanken machen, was sonst alles hätte passieren können!?
ALLES hätte passieren können. Und doch, es gibt so Momente, da erkennt man die Weiche auf dem Lebensweg. Man spürt irgendwie, da ist gerade etwas in der Luft, das könnte etwas Großes, etwas Entscheidendes werden. So wie es CRO beschreibt. Da begegnen sich zwei und eigentlich sind sie sicher, das könnte etwas werden, vielleicht die Liebe des Lebens, dieser Augenblick muss genutzt werden! Und dann…ist er vorbei.
In den meisten Fällen werden wir es nach einer gewissen Zeit verdrängen, werden nicht mehr an den Moment denken, an dem wir uns nicht getraut haben. Wir werden unseren Frieden damit machen, indem wir uns sagen, das wäre eh nichts geworden und wenn doch, dann wäre es bestimmt irgendwie blöd geworden.
Aber manche Entscheidungen, manches Nichtstun begleiten uns dann doch ein Leben lang, häufig mit einem anhaltenden Gefühl der Reue. „Hätte ich doch nur…!“
Das Lied von CRO empfiehlt uns, dass wir uns mehr trauen sollen! Natürlich kann man damit auch auf die Nase fallen! Das kennt vermutlich jeder, aber so ist das Leben: voller Ereignisse, voller Möglichkeiten, guter und schlechter! Viele Dinge in unserem Leben laufen einfach so ab, wir können da gar nicht viel machen, umso entscheidender ist es, Initiative zu ergreifen, wo es möglich ist, das eigene Leben zu gestalten, zu füllen mit Menschen und Erlebnissen, die einem wichtig sind und die einen wirklich reich machen!
Wenn der junge Mann in dem Lied die junge Dame angesprochen hätte und sie hätte ihm zu verstehen gegeben, dass sie kein Interesse hat, so wäre das sicher nicht angenehm gewesen, aber die Sache wäre klar und könnte abgehakt werden. So wird es in diesem Fall beide noch beschäftigen. Wir sollten mutiger sein, das Leben mehr auskosten, auch mal etwas wagen und damit meine ich nicht unbedingt irgendwelche Extremerlebnisse. Denn wer weiß, ob sich die anstehenden Möglichkeiten, das Leben zu genießen, noch ein zweites Mal anbieten werden und ob es dann nicht doch zu spät ist!?

Einen mutigen August  wünscht Ihnen Iris Gronbach.