Ich lasse Dich nicht los,…

Der Monatsspruch für den Juni heißt:

Ich lasse dich nicht los, wenn du mich nicht segnest.

1. Mose 32,27

Ein sonderbarer Satz. Das hört sich an wie ein erzwungener Segen! Geht das denn, kann man Segen erpressen? Und wenn ja, was bewirkt er dann? Ist es dem Segen egal, wie er zustande kam?

Die Geschichte, in der dieser Satz vorkommt, ist auch sonderbar.

Jakob, und zwar der, der sich schon einmal einen Segen, nämlich den seines Vaters, erschlichen hat, und der eigentlich seinem Zwillingsbruder Esau zustand, dieser Jakob möchte Jahre nach seiner Flucht von seiner Heimat, nun doch wieder zurück. Er hofft auf die Vergebung seines von ihm betrogenen Bruders und rückt mit Sack und Pack und seiner ganzen, ziemlich großen, Familie an. Er ist aufgeregt und hat Angst. Mit Geschenken, die er Esau vorausschickt, möchte er seinen Bruder milde stimmen. In der Nacht kommt ein Mann und kämpft mit Jakob. Die ganze Nacht, es ist ein schweres, anstrengendes Ringen, Jakob ist an der Hüfte verletzt, der andere Mann möchte gehen, denn die Sonne bricht schon an, aber Jakob sagt:

Ich lasse dich nicht los, wenn du mich nicht segnest.

Der Fremde fragt nach seinem Namen und gibt ihn einen Neuen. Von nun soll Jakob Israel heißen, er wird gesegnet und geht gestärkt, wenn auch hinkend aus dieser sonderbaren Begegnung hinaus. Es ist zwar nicht geklärt, aber dennoch klar, dieser Fremde war Gott!

Wie können wir das heute verstehen? Unser Gott rangelt mit uns und wenn wir stark und beharrlich genug sind, dann segnet er uns auch???

Komische Vorstellung, wenn man es allerdings andersherum sieht, dann wird es, zumindest für mich, nachvollziehbarer. ICH kämpfe mit Gott, ICH rangele, ringe mit diesem Gott, der mir oft fremd ist. Und gleichzeitig kämpfe ich auch mit mir selbst, mit meinen Entscheidungen, meinem Glauben, meinem Zweifel.

In der Welt passieren viele Dinge, die wir nicht verstehen. Wir fragen uns, warum das passieren kann, wie Gott das zulassen kann!??! Es ist oft schwierig Gott im Gebet grünes Licht zu geben mit den Worten „dein Wille geschehe“, wenn dieser Wille anscheinend Kriege, Krankheiten und Katastrophen beinhaltet. Und wir erleben auch immer wieder selber Schreckliches, Ungerechtes, Schmerzvolles…warum? Werden wir bestraft? Sind es unsere von Gott gegebenen Lebensaufgaben, die wir meistern müssen? Vielleicht um Gott zu beweisen, dass wir ihn als unseren Gott annehmen, egal was passiert?? Aber haben wir nicht befreit gelernt, dass Gott uns liebt, ganz unabhängig von unseren Taten!??! Und dann scheitern wir selbst immer wieder an uns und unseren eigenen Zielen, sind schwach und träge oder machen Fehler. Und wir hadern dann mit uns selbst, fühlen uns vielleicht nicht wert genug, Gott anzusprechen, seine Liebe in Anspruch zu nehmen, weil wir böse und schlecht sind, und dann fühlen wir uns allein und von Gott verlassen, obwohl wir uns von ihm abgewandt haben.

Viele andere Möglichkeiten könnte ich da aufzählen… Ich denke am Deutlichsten zum Vorschein kommt dieses Gedanken- und Gefühls-Wirrwarr, wenn wir frei beten. Wenn wir ganz für uns Kontakt aufnehmen zu Gott. Also meist nicht wohlformuliert und sortiert, sondern einfach unsere Gedanken und Gefühle Gott offen legen. Das ist nicht immer einfach, das ist auch nicht immer dran, aber ich persönlich nehme es meist als hilfreich wahr.

Oft bin ich überrascht, was mir dann alles durch den Kopf geht, häufig ist es ein Ventil für meine Wut und mein Unverständnis, aber auch für Traurigkeit und Dankbarkeit! Fast immer spielt da auch die Hoffnung mit, dass „es“ wieder gut wird, dass „Gott“ es wieder richtet, oder dass Gott etwas damit zu tun hat, dass alles so schön ist, wie es ja nun manchmal doch ist ?!

Jakob war in seinem Leben an einem Punkt angekommen, an dem er es wieder gut machen wollte, an dem er sein Leben wieder auf den richtigen Weg bringen wollte. Versöhnung war sein Wunsch, aber er hatte Angst, denn sein Bruder Esau, so kam ihm zu Ohren, hatte ihm 400 Mann entgegen geschickt, das wirkte auf ihn nicht sehr hoffnungsvoll. Aber er stellte sich dennoch dieser Situation, er rang mit sich, er kämpfte sich durch und hielt an seinem Vorhaben und an seinem Gott fest, der ihm im in diesem Moment nicht unbedingt als ein wohlgesonnter begegnete, sondern als einer, der ihm weh tat und ihn sogar verletzte.

„Ich lasse dich nicht los, wenn du mich nicht segnest!“

Diese Beharrlichkeit, dieses Festhalten, dieses Einfordern von Segen, von gelingendem Leben, auch wenn es weh tat und schwer war, führte Jakob zum Glück, zu Versöhnung mit seinem Bruder und Frieden mit Gott.

Unser Glaube, unser Festhalten an Gott ist nicht immer ein seliges Zuckerschlecken, sondern häufig hart und schmerzhaft, aber am Ende kommen wir dann HOFFENTLICH zum Ziel…

Eine segensreiche Zeit wünscht Ihnen,

Iris Gronbach